Schuld - unser innerer Ankläger

Miniserie über negative Gefühle - Teil 3: Schuld


In Dr. Sigmund Freuds Strukturmodell der Psyche ist das von ihm entwickelte Konzept des Über-Ichs der Träger des sogenannten Ich-Ideals und somit der idealen Vorstellung des Individuums von sich selber. Das perfekte Bild von sich selbst, könnte man sagen. Weitergedacht also ein Bild, dem man gerecht werden muss, um sich selbst als stimmig zu erleben und zu empfinden. Man könnte also davon sprechen, dass in jedem von uns ein Anteil ist, der uns selber mit diesem idealen Bild von uns selbst abgleicht. Und da keiner perfekt ist, entspricht auch keiner diesem Bild. Hier entsteht Schuld. Was Schuld in diesem Kontext begleitet, ist ein Selbstgefühl von Versagen oder Minderwertigkeit. Dies zeigt sich in psychischen Symptomen und manifestiert sich körperlich durch Beklommenheit, Schwitzen, Zittern, Verspannung oder Depression.

Selbstanklage verursacht viel Leid

Eine Menge Leid also, nur weil man dem eigenen Anspruch an sich selbst nicht gerecht werden kann. Erschwerend hinzu kommt, dass diese Vorgänge vor allem unterbewusst ablaufen und der tatsächliche Entstehungsprozess von Schuld genauso verborgen bleibt wie seine eigentliche Ursache. Die entscheidende Frage ist für mich, wann dieser Anspruch einen Nutzen erfüllt und wann er hinderlich ist.  

Schuld ist demnach ein Phänomen, das einen aktiven inneren Ankläger braucht. Ich muss mich also selbst beschuldigen, um Schuld zu empfinden. Dementsprechend muss ich mich auch vor mir selbst verteidigen und die Schuld einlösen. Mein Ich-Ideal ins Reine bringen, könnte man sagen. Andersherum werde ich keine Schuld empfinden, wenn ich hier mit mir im Reinen bin und mein innerer Ankläger die Stimme nicht erhebt. Doch sollte mein innerer Ankläger sich durchsetzen, folgen vielleicht Wünsche nach Konsequenzen für mich selbst. Viele sanktionieren sich z.B. durch Selbstvorwürfe, eigene Herabwürdigung oder schlimmstenfalls Selbstmord. 

Ein intaktes inneres Wertegerüst statt Schuldgefühlen

Was ist nun die Moral von der Geschichte? Nun, ich bin der Meinung, dass Schuld, ähnlich unnütz ist wie Angst. Als Gefühl an sich höchstens als Hinweisgeber wertvoll. Das bedeutet nicht, dass ich für Ignoranz, Rücksichtslosigkeit oder dumme Waghalsigkeit plädiere. Ich appelliere vielmehr an ein intaktes inneres Wertegerüst, dass dafür sorgt, dass Schuldgefühle nicht die Macht übernehmen und uns in Isolation, Leid und Schmerz führen. Was nützt es, wenn ich mich schuldig fühle, weil ich jemandem Leid zugeführt habe. Nichts. An die Stelle von Schuld sollte die Frage treten, was ich tun kann, um den entstandenen Schaden wieder gut zu machen und die Frage wie ich es verhindere, dass in Zukunft erneut Schaden entsteht.

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